Der Kampf gegen Schlamm und Verwüstung

THW Berchtesgadener Land im Katastrophengebiet Rottal-Inn im Einsatz

Pressebericht Reichenhaller Tagblatt/Freilassinger Anzeiger/Südostbayerische Rundschau in der Ausgabe vom 7. Juni 2016 (siehe auch heimatzeitung.de)

Berchtesgadener Land/Rottal-Inn. Das Technische Hilfswerk (THW) Berchtesgadener Land ist seit Mittwoch vergangener Woche im niederbayerischen Landkreis Rottal-Inn im Katastropheneinsatz. Dort hatte ein Blitzhochwasser sieben Menschen das Leben gekostet, die Stadt Simbach am Inn und Gemeinden wie Triftern, Tann und Anzenkirchen versanken im teils meterhohen, reißenden Strom im Chaos (wir berichteten und berichten ausführlich, siehe auch Spendenaktion der PNP).

Sonntag Abend herrscht vor der Fahrzeughalle an der Unterkunft des THW in Mitterfelden ruhige Betriebsamkeit. Noch immer regnet es leicht. Schläuche liegen wie schlammige Schlangen über den Hof entlang ausgerollt vor den Fahrzeugen, mehrere THWler spritzen sie und andere Utensilien mit Wasser ab. Einige der Gesichter haben einen müden Ausdruck. Die Reinigungsarbeiten in Mitterfelden nehmen nach dem Einsatz zwei weitere Stunden Zeit in Anspruch, bevor die Rettungskräfte nach Hause fahren können.

„Ich habe jemanden sagen gehört, dass es gut ist, wenn es weiterhin leicht regnet, damit der Schlamm feucht bleibt und beseitigt werden kann”, sagt der THW-Ortsbeauftragte Ulrich Hasenöhrl im Gespräch. Trocknet der Schlamm, wird er hart wie Beton. Und gerade der teils bis zu einem Meter hoch stehende Schlamm ist das, was das reißende Hochwasser in Simbach am Inn und den stark betroffenen umliegenden Gemeinden mit sich brachte und was in den Straßen und Häusern liegenblieb.

Am Mittwoch vergangener Woche alarmierte die THW-Geschäftsstelle in Mühldorf gegen 15.30 Uhr den Ortsverband Berchtesgadener Land. „Wir sind um 15.55 Uhr mit sechs Leuten und zwei Booten nach Simbach ausgerückt”, so Hasenöhrl. Trotz teilweiser Umwege wegen überfluteter Straßen erreichten die Hilfskräfte kurz vor 17 Uhr über die österreichische Grenzstadt Braunau am Inn den Unglücksort. Kurz nach der Innbrücke bei der Polizeistation mussten sie die Fahrzeuge parken, denn ab dort stand die Straße unter Wasser, die Autos waren bis über das Dach in den Fluten eingeschlossen.

70 Menschen – vom Baby bis zur alten Frau - retteten allein die THWler aus dem Berchtesgadener Land an diesem Abend und in der Nacht aus den eingeschlossenen Häusern. Auch Haustiere wie Katzen, Hunde und Wellensittiche landeten im Rettungsboot. Die Stimmung sei niedergeschlagen gewesen, erinnert sich eine THWlerin, die mit dabei war. Die meisten Leute, die sie aus den Häusern gerettet haben, seien ruhig gewesen, beschreibt sie. Doch habe es auch Leute gegeben, die sich geweigert hätten, ihre Häuser zu verlassen. Um fünf Uhr früh kamen die THWler wieder in ihre Unterkunft nach Mitterfelden zurück.

Seitdem ist das THW BGL in Simbach am Inn und Umgebung bei den Aufräumarbeiten täglich im Einsatz, der nach derzeitiger Anordnung auf jeden Fall noch bis kommenden Samstag dauert. Bis Sonntag Abend leisteten die rund 36 Leute aus dem Ortsverband etwa 1.100 Einsatzstunden ab. Treffpunkt ist täglich um 6 Uhr früh vor der Unterkunft in Mitterfelden, Einsatzbeginn in Simbach um 8 Uhr. Von den zehn Fahrzeugen sind täglich acht mit dabei. Die ersten Tage kamen die THW-Einsatzkräfte nicht vor 22 Uhr nach Hause.

Der Schlamm erschwere die Aufräumarbeiten. „Teilweise konnten wir unsere Wasserpumpen gar nicht mehr einsetzen. Aber am Wochenende waren tausende von Helfern in Simbach, sie haben in langen Schlangen mit Eimern den Schlamm aus den Häusern befördert”, berichtet Hasenöhrl.

Hauptaufgabe der THWler sei es, Wasser zu pumpen und den Leuten zu helfen, Schlamm zu schaufeln sowie von Wasser und Schlamm zerstörtes Hab und Gut aus den Häusern in die Sperrmüllcontainer zu räumen. Mit der Einsatzrettungsspinne, dem sogenannten Schreitbagger, holen die THWler das Gerümpel ab. Dieser Schreitbagger ist übrigens Teil eines bundesweiten Projekts, nur zwei Ortsverbände verfügen über ein solches Gerät, darunter der Ortsverband Berchtsgadener Land.

Seit Freitag haben die THWler aus dem Berchtesgadener Land auch noch einen Logistikstützpunkt eingerichtet, der täglich mit vier bis fünf Leuten besetzt ist, die technisch defekte Geräte instandsetzen, außerdem Sprit und Trinkwasser verteilen.

Ein Baufachberater des Ortsverbandes ist mit einem weiteren täglich in Simbach und Umgebung unterwegs, um Häuser auf ihre Einsturzgefahr hin zu überprüfen, was laut Hasenöhrl bei jedem zweiten der Fall sei. Da die Straßen am Wochenende von Helfern und Fahrzeugen voll waren, gingen die Baufachberater zu Fuß zu den Häusern, zu denen sie gerufen wurden. 20 Kilometer hätten sie dabei allein am Samstag zusammengebracht. Außerdem sei der THW-Fachberater an diesem Tag aus den Reihen des Ortsverbandes Berchtesgadener Land in den Stab der Einsatzleitung ins Landratsamt berufen worden, so Hasenöhrl weiter.

Und wie geht es den Einsatzkräften inmitten des Katastrophengebietes? „Da hast Du keine Zeit zum Nachdenken, Du bist nur auf Deine Arbeit konzentriert”, schildert Hasenöhrl. Erst daheim in der Ruhephase kämen die Gedanken an das Ausmaß der Katastrophe und die Bedeutung für die betroffenen Menschen hoch.

Laut Hasenöhrl sind THW-Ortsverbände aus dem ganzen Bundesgebiet im Einsatz, darunter auch die verschiedensten Spezial-Fachgruppen. Zum Beispiel jene zur Trinkwasserversorgung. Ihr Gerät mache aus Schmutzwasser reines Trinkwasser, wie es das strenge deutsche Gesetz verlange, erklärt er. Die Fachgruppe Ölschaden etwa verfüge über eine Ölseparierungsanlage, die Fachgruppe Wasserschadenpumpe könne mit ihrem Spezialgerät pro Minute 15.000 Liter Wasser pumpen.

Die Fachgruppe Infrastruktur setze zum Beispiel Stromleitungen instand, speise Strom in die Kläranlage ein und helfe bei der Elektroversorgung. Die Fachgruppe Räumen sei mit dem Radlader unterwegs und schiebe den Schlamm von den Straßen. Und so weiter. So hilft jeder THW-Ortsverband neben seiner Basiseinheit, dem Technischen Zug, mit seinem Spezialwissen. Aus dem Berchtesgadener Land kommt dies zur Logistik, mit dem Baufachberater und dem Schreitbagger.

Weitere Impressionen und Informationen über den Einsatz des THW Berchtesgadener Land im Katastrophengebiet in Simbach am Inn finden sich auf der Hompage unter www.thw-bgl.de.

Bericht und Fotos: Tanja Weichold


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